Haben Sie in letzter Zeit mal Kaninchenfleisch beim Schlachter gesehen? Oder im Supermarktregal, verpackt wie Hühnchen oder Schweinefleisch? Als ganzes Tier im Kühlregal vielleicht, so richtig real mit Kopf dran und Innereien drin? Nein, das ist auch in Deutschland nicht mehr üblich.
Bei den Halal-Metzgern auf der Sonnenallee gibt es das noch. In anderen EU-Ländern ist es ebenso Alltag. Warum nicht mehr in Deutschland? Früher war das helle und milde Kaninchenfleisch hierzulande sehr beliebt. Viele Bürger hatten im Garten oder in ihrer Laube eigene kleine Stallungen und haben regelmäßig Kaninchen geschlachtet.
Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg brachte so mancher Hobbyzüchter Familie und Freunde mit selbst aufgezogenen Kaninchen über die Runden. Auch wenn das Fleisch aus der Mode ist, in Deutschland verzehren wir jährlich immer noch rund 41.000 Tonnen Kaninchenfleisch. Das entspricht rund 30 Millionen Kaninchen. Hätten Sie das gedacht?
Die Hälfte davon produzieren wir in Deutschland selbst, der Rest wird aus dem Ausland importiert. Gut ein Drittel des in Deutschland produzierten Kaninchenfleisches kommt immer noch aus privater Hobbyzucht und gelangt über Direktvermarktung zum Konsumenten. Der Großteil des lokalen Kaninchenfleisches kommt aus Kleinbetrieben, nur etwa 20 Prozent kommen aus Mastbetrieben.
Ob die Zahlen stimmen, wird regelmäßig in Frage gestellt, denn dieser Markt ist genau wie bei Wildfleisch zu klein und nicht vollends transparent. Das Statistische Bundesamt erhebt hierzu einfach keine Daten. Man findet viele Informationen bei der Tierschutzorganisation Peta, dem Deutschen Tierschutzbund, Vier Pfoten Deutschland oder der Albert-Schweitzer-Stiftung, aber alle weisen darauf hin, dass es keine genaue Datenerhebung zur Anzahl von Zuchtbetrieben, Beständen und den Produktionsmengen des Fleisches gibt.
Erstaunlich, sind wir doch sonst so korrekt! Die Bundesregierung verweist lediglich auf eine Expertenschätzung von 2016, die von 400.000 privaten Züchtern und gut 60 Mastbetrieben ausgeht. Wer sind wohl diese Experten und was bekommen sie wohl für ihre Expertise gezahlt?
Hauptproduktionsländer in der EU sind Spanien, Italien, Frankreich, Polen und Ungarn. Die größten Produzenten weltweit sind die Chinesen, und die exportieren auch in die EU (jedoch sehr geringe Mengen). Diese Zahlen sind recht gut dokumentiert, und zwar von offizieller Seite in der EU, immerhin. In unseren Nachbarländern ist Kaninchenfleisch wie auch das des wilden Feldhasen sehr beliebt. Man findet es quasi überall, einfach verpackt wie bei uns etwa Hähnchen.
Sucht man in Deutschland bei den großen Handelsketten nach Kaninchen, wird man heute immer öfter fündig. Einige große Handelsketten zeigen online sogar schon, was man damit macht. Rezepte gibt es auch. Ist das was im Gange? Back to the roots?
Insgesamt sind Rinder, Schweine und Hühner natürlich ergiebiger, weshalb sich Züchter, die Futtermittelindustrie und Schlachthöfe darauf spezialisiert haben. Aber in einer Zeit, in der Fleischverzicht groß geschrieben wird und notwendig ist, scheint es vielleicht wieder zeitgemäß, die kleinen Haustierchen zu essen.
Beim Einzelhändler ist zum Glück alles steril verpackt und an der Frischetheke nahezu abstrakt präsentiert. Der Gedanke daran, wie die Produkte genau entstehen, verschwindet schnell hinter einer neurologischen Milchglasscheibe, welche die individuelle Märchenwelt von der harten Realität trennt. Roger Rabbit essen, wie kann man nur, wie soll ich das meinen Kinder erklären? Sie sollen jetzt natürlich keine Kaninchen züchten und schlachten, aber mal probieren könnten Sie schon, oder?
Ich kann Ihnen versichern: Kaninchen schmeckt wunderbar. Aus der Renaissance gibt es Rezepte, die sich heute noch auf italienischen Speisekarten befinden. Oft mit vielen mediterranen Kräutern, Olivenöl und Linsen. Bei den Franzosen ist heute noch der Lapin à la moutarde beliebt, zubereitet mit einer Soße aus Wein, Sahne und Senf. In der Provence werden die Tiere mit allerlei Kräutern wie Rosmarin, Thymian, Oregano und Lavendel geschmort, gemeinsam mit Oliven, Knoblauch und Zitrone.
In Ungarn gehört Kaninchen zu den traditionellen Speisen. „Töltött nyúl“ etwa ist ein gefülltes Kaninchen, es wird komplett ausgelöst (also alle Knochen werden entfernt), dann gefüllt mit einer Mischung aus Hackfleisch, Kräutern und Gewürzen und dann gebacken. Erwischt man den richtigen ungarischen Eurocity von Berlin nach Budapest, hat man gute Chancen, es im Bordbistrot serviert zu bekommen. Auch ein klassisches ungarisches Gulasch gibt es mit Kaninchen, wobei ganz simpel das Rindfleisch durch Kaninchenkeulen ersetzt wird.
Doch was gibt es in Deutschland? Hierzulande werden die Tiere oft einfach mit Wurzelgemüse und Wein geschmort, dazu gibt es einfache Beilagen wie Kartoffeln oder Spätzle. Deutsche Sterneköche preisen Kaninchen mittlerweile als Delikatesse an, denn es ist recht unbekannt, und was keiner wirklich kennt, ist schnell eine Delikatesse. Ist doch klar, besonders wenn ein Sternekoch das sagt. Mit aufwendigen Kreationen werden die Tierchen dann inszeniert, wobei das Fleisch oft einfach durch ein anderes zu substituieren wäre. Die bittere Wahrheit.
Wie seriös der Markt und die Zucht von Kaninchen wirklich sind, das wissen wir nicht genau. Wie nachhaltig das Fleisch ist, keine Ahnung? Informationen zum CO2-Abdruck von Kaninchen lassen sich nicht finden. Besser als das pupsende Rind wird es wohl sein. Auf allerlei Grafiken wird Bio-Rindfleisch mit Tofu-Bratlingen und Chicken-Nuggets verglichen.
Aber Kaninchen suchen wir hier vergebens. Wenn es von ihrem Nachbarn im Dorf kommt, kann es so schlimm nicht sein. Also, hier ein Rezept mit Kaninchen, ob Sie es verkraften und wirklich nachkochen, entscheiden Sie. Und wenn Sie kein Kaninchen essen wollen, dann ersetzen Sie es einfach mit einem Hähnchen. Oder im Winter mit einem vom Jäger geschossenen Feldhasen. Aber dieser wilde Nager ist noch mal ein ganz eigenes Thema für sich.
Zutaten (für 4 Personen): 4 Kaninchenkeulen, 1/2 Flasche Rotwein, 200 ml Wasser (wer hat Geflügel- oder Kalbsfond, Achtung: Salzgehalt!), 50 ml Sahne, 1 EL Dijon-Senf (fein), 1/2 EL brauner Zucker, 2 Schalotten, 1/2 Karotte, Piment, Pfefferkörner, 3 Lorbeerblätter
Zubereitung: In einem Schmortopf braten wir die Keulen rundum schön an. Vorher leicht salzen. Sind die Keulen angebraten, nehmen wir sie kurz aus dem Topf, um darin dann die grob gewürfelte Karotte und die Schalotten anzurösten – Röstaromen ist hier das Schlagwort.
Ist alles goldbraun, geben wir den Zucker und den Senf hinein und schwitzen ihn kurz mit an, gut vier bis fünf Minuten. Nun die Keulen wieder dazu und mit etwas Wein ablöschen. Wir lassen den Wein verkochen, geben wieder einen Schuss hinein und lassen ihn ebenfalls verkochen.
Wir gießen dann mit dem restlichen Wein und dem Wasser auf, geben die Gewürze hinzu und kochen alles einmal auf. Nun reduzieren wir die Hitze und lassen alles auf niedriger Hitze mit Deckel schmoren. Zwei bis drei Stunden, testen Sie mit einer Gabel, wie zart das Fleisch ist. Es muss einfach vom Knochen fallen!
Wer die Zeit hat, stellt den Topf nach drei Stunden zur Seite und kocht am Folgetag weiter, durch das langsame Herunterkühlen wird das Fleisch besonders zart. Sie wissen ja, Witwe Bolte und so.
Ist das Fleisch also zart, holen wir es heraus und geben es auf einen Teller zur Seite. Den Sud passieren wir in einen neuen Topf, und dann wird alles reduziert. Solange, bis eine geschmeidige braune Soße entsteht, reduzieren Sie ruhig kräftig. Ist die Soße schön sämig, noch mit der Sahne abschmecken. Am Ende geben wir die Keulen wieder in die Soße, diese sollte dickflüssig sein und am Fleisch kleben bleiben.
Dazu koche ich Gemüse, grob geschnitten: Karotten, Knollensellerie und Fenchel. Als Beilage gibt es bei mir Pommes fondant. Schauen Sie mal auf YouTube, wie das geht! Aber erlaubt ist, was schmeckt. Auch ein Kartoffelbrei mit viel Butter passt dazu.
Tipp: Falls Sie so mutig sind und ein ganzes Kaninchen kaufen, schmoren Sie die Vorderschlegel einfach mit den Keulen zusammen. Den Rücken können Sie auch separat am Knochen in der Pfanne braten und mit Butter übergießen. Dann haben Sie geschmortes und gebratenes Fleisch.
Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten, Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann schreiben Sie uns per E-Mail: [email protected]
Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.
2023-03-19T11:07:22Z dg43tfdfdgfd